Engel 2020: Lesepaten

Laudatio
anlässlich der Ehrung für besonderes bürgerschaftliches Engagement
an
Frau Ilse Kammerer, Pfuhl
und
Frau Elisabeth Ganser, Pfuhl
Am 07. Juni 2022 in Neu-Ulm. Laudator: Hans Aicham-Bomhard

Frau Ganser ist leider letztes Jahr verstorben. Wir wollen aber ihr bürgerschaftliches Engagement, das sie über Jahre mit großem Einsatz geleistet hat, nicht unerwähnt lassen und wir ehren sie deshalb posthum.

Der Kleine Max sitzt vor einem Buch und der Text erscheint ihm völlig durcheinander. Die Blicke wandern im Zimmer herum, er versteht einfach nicht was dort steht. Aber, er hat eine Hilfe, eine Lesepatin. Die weiß, Max kann gut laut vorlesen, aber er versteht einfach nicht, was er da liest. Er ist unkonzentriert und wird mutlos. Aber seine Lesepatin hilft ihm. Er soll erst einmal wenige Sätze sprechen, leise und so langsam wie er will. Mit Geduld und Einfühlungsvermögen schafft es seine Patin, ihm über seine gefühlten Schwierigkeiten hinweg zu helfen, so dass er sogar Freude am Lesen und am Verstehen der Texte bekommt. Lesen erst einmal zu lernen ist eine langwierige und anstrengende Aufgabe und Sie darf, auch wenn sie im Grundschulalter von den Kindern bewältigt wird, nicht unterschätzt werden.
In den Pisa-Studien wurde festgestellt, dass fast ein Viertel der 15jährigen Schülerinnen und Schülern nicht über eine ausreichende Kompetenz im Lesen verfügt und in jeder dritten Familie wird Kindern selten oder gar nicht vorgelesen.
Dabei belegen Studien, dass das Vorlesen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Kindes hat. Der Wortschatz erweitert sich, die Fantasie wird angeregt und die familiäre Bindung sowie das soziale Verhalten werden gestärkt. Durch Vorlesen soll bei Kindern auch die Freude am Lesen geweckt werden.

Die Fähigkeit zu lesen und das Gelesene zu verstehen ist eine grundlegende und wesentliche Voraussetzung unserer heutigen Welt. Lesen wird als Grundlage für Bildung, ein erfolgreiches Berufsleben und eine gute und aktive Mitarbeit am gesellschaftlichen Leben angesehen.
Das Familienzentrum in Neu-Ulm ist eine zentrale Anlaufstelle für Kinder, Familien und Alleinlebende im Stadtgebiet Neu-Ulm. Zielgerichtete und situationsorientierte Projekte sollen die Bedürfnisse der Menschen aufgreifen und in eigene Aktivitäten umsetzen. Nur aufgrund der Unterstützung von ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürgern kann ein so vielfältiges Angebot, angefangen von Krabbelgruppen bis zur Vermittlung von Leihomas oder Leihopas umgesetzt werden.

Auch wenn sie heute nicht mehr als solche agieren, waren beide, Frau Kammerer und Frau Ganser, eine sehr lange Zeit Teil der als Lesepaten ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürger.
Lesen ist der Schlüssel in der Welt der Sprache, aber wie vorher schon gesagt, auch des Wissens und der Fantasie. Für einige Kinder ist der Zugang zu Büchern selbstverständlich, jedoch gilt dies nicht für alle Kinder.

Mit dem Projekt Lesepaten soll möglichst allen Kindern die Welt der Bücher nähergebracht und die Leselust gefördert werden und schließlich will sich das Projekt für Chancengleichheit der Kinder einsetzen. Denn der Wortschatz und Satzbau bei literarischen Texten hat ein anderes Sprachniveau als in der mündlichen Kommunikation oder der Umgangssprache. Und, der Umgang mit Büchern kann besonders Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund eine Hilfe sein, unsere Sprache zu verstehen.

Die Lesepaten lesen i.d.R. 1-mal pro Woche in Kindergärten im Stadtgebiet Neu-Ulm und in der Grundschule Stadtmitte einer Kleingruppe vor.
Frau Kammerer war seit 2008 als Lesepatin engagiert. In der Grundschule Stadtmitte förderte sie einmal wöchentlich die Leselust bei Schülern der 1. und 2. Klasse. Bei Einzelveranstaltungen wie z.B. dem Stadtteilfest unterstützte Frau Kammerer immer wieder das Team des Familienzentrums.
Frau Ganser unterstützte die Arbeit des Familienzentrums seit November 2009. Begonnen hat sie als Lesepatin in der Grundschule Stadtmitte, seit 2010 betreute sie zusätzlich den Kindergarten Zauberwald. Seitdem war sie zweimal pro Woche als ehrenamtliche Lesepatin im Einsatz und brachte den Kindern nicht nur die Welt der Bücher näher, sondern sie hatte auch immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Kinder.

Wir, der Verein „Verborgene Engel“ freuen uns, dass wir Frau Ganser leider posthum und Frau Kammerer und diesem wichtigen Bereich für Ihr bürgerschaftliches Engagement, das sie mit Leidenschaft und Herzblut, mit persönlichem Einsatz und Ausdauer ausführten, mit unserem Ehrenpreis, als Zeichen unseres Dankes und Anerkennung Ihrer erbrachten Leistung auszeichnen dürfen. In der Hoffnung, dass die Kinder weiter so aktive, engagierte Nachfolger bekommen haben.

Neu-Ulm, 07. Juni 2022
Hans Aicham-Bomhard